"Magie des Augenblicks"
Rosenlese von Walther von der Vogelweide, um 1170-1230 (Übersetzung: Richard Zoozmann, 1863-1934)
Möcht ichs doch erleben, dass ich Rosen
Mit der Minniglichen könnte lesen;
Wollt ich doch sie herzen so und kosen,
Als ob längst wir Freunde schon gewesen.
Würde mir ein Kuss zur rechten Stunde
Von dem roten Munde,
Wär ich gleich von allem Leid genesen.
Was nützt weise Rede, was soll Singen?
Was hilft Weibesschöne, was soll Gut?
Seit man Keinen sieht nach Freuden ringen,
Seit man ohne Scheu nur unrecht tut,
Dass es milde, Treue, Zucht und Sitte
Nicht mehr bei uns litte,
Ist verzagt an Liebeslust der Mut.